Historisches zu den Flussbadeanstalten in Lage

Badevergnügen in Lage

unter diesem Titel verfasste Stadtarchivarin Christina Pohl einen Artikel anlässlich des 75 Bestehens des Freibades Lage. Wir empfehlen die Lektüre, wenn man ein wenig geschichtliches Interesse hat

Flussbadeanstalten

Wenn die Lagenser im Sommer das Bedürfnis hatten, sich bei einem Bad im kühlen Nass zu erfrischen, bot sich hier bis 1931 für das Badevergnügen vor allem die Werre an. Das Baden dort war aber nicht ungefährlich. Es gab keine Aufsichten und keine Abgrenzungen, in der Regel auch keine genaue Kenntnis über die Wassertiefe, die Bodenbeschaffenheit und die Strömungsverhältnisse. Hinzu kamen noch Beschwerden der Anwohner. So schrieb z. B. im Juni 1888 Gendarm Gering an den Magistrat in Lage, dass an der Werre „über Kerkhoff's
Bleiche" allabendlich junge Leute badeten und dabei Gras sowie Gemüseanpflanzungen zerträten und, keine Frauensleute wegen Schamgefühls" in den Gärten oder auf der Bleiche arbeiten könnten, wenn 30 - 40 „nackte Gestalten" sich im Wasser aufhielten.

Von einem generellen Badeverbot in der Werre sah man ab, da sich die Badenden dann auf mehrere Stellen verleilten und sich damit die Gefahr des Ertrinkens nur erhöhte. Auch der Magistrat erkannte den ,,Übelstand", dass es in der Stadt keinen ,,geschützten Platz zum
Baden" gab, und beantragte, in der Stadtverordnetenversammlung über die Einrichtung einer öffentlichen Badeanstalt zu beschließen. Es wurde zwar Geld bewilligt, doch von einer Umsetzung des Projekts ist nichts bekannt.

1889 schloss die Stadt Lage mit dem Pächter der herrschaftlichen Mühle Altrogge einen Vertrag, nach dem seine im sogenannten Mühlengraben eingerichtete Badeanstalt für 20 M. Pacht pro Badesaison an vier Tagen in der Woche in den Abendstunden von 19 bis 22 Uhr für die Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden sollte. Für 30 Personen war dort Platz zum Ausziehen und Baden. Der Einblick in die Badeanstalt wurde durch Bretterverschlag und sonstige „geeignete Vorkehrungen", zu deren Anbringung Altrogge bereit war, verhindert.

Diese öffentliche Bademöglichkeit bestand bis 1894. In diesem Jahr richtete die Stadt dort, wo heute die Eisenbahnbrücke Richtung Bielefeld die Werre überquert, eine städtische Badeanstalt ein, in der zwischen 14 und 21 Uhr unter Aufsicht gebadet werden konnte. Neben
dieser wurden aber weiterhin unterschiedliche Stellen der Werre zum Baden genutzt, auch noch als 1903 die alte städtische Badeanstalt zugunsten einer neuen auf der Armenwiese aufgegeben wurde.

Bau einer modernen Badeanstalt

Die Verwaltungsberichte der l920er Jahre berichten immer wieder über den je nach Wetterlage regen Besuch der Flussbadeanstalt. Allerdings erkannte die Verwaltung, dass diese Einrichtung den Bedürfnissen der Schwimmer nicht mehr genügte. Die Wasserqualität
war gut, doch die durchschnittliche Wassertiefe von 1,40 m war für Kopfsprünge nicht geeignet. Eine Ausbaggerung hätte keine Vorteile gebracht, da infolge des schnellen Fließens nach kurzer Zeit eine neue Versandung eingetreten wäre. Außerdem war der Sandgrund
derartig mit Glas- und sonstigen Scherben durchsetzt, dass Fußverletzungen fast täglich eintraten. Hinzu kamen Verunreinigungen durch Schrott, der in der Werre entsorgt worden war. Also strebte man ein vom Flusslauf unabhängiges Badebassin an. Für eine fachgerechte
und kostengünstige Planung nahm Stadtbaumeister Graf ab 1924 zu unterschiedlichen Organisationen und Behörden Kontakt auf. Unter Ihnen die Abteilung Bäderbau des DLRG in Dresden und die Bäderbauberatungsstelle des Deutschen Schwimmverbandes. Besichtigungen
vor Ort und in bereits fertig gestellten Bädem wurden unternommen. Planungen und Berechnungen durchgeftihrt. Für die Organisation des Projektes sollte ein Badbauverein gegründet werden. Doch das Ziel, den Bau noch 1925 fertig zu stellen, konnte nicht erreicht werden. Aufgrund der schlechten finanziellen Situation der Stadt wurde das Projekt zurückgestellt.

1926 wurden die Anstrengungen in Richtung neuer Badeanstalt intensiviert, da die alte an der Armenwiese „in keiner Weise mehr den Anforderungen" entsprach und „das Baden an anderer Stelle der Werre ... daher im vergangenen Jahr besonders groß" war. An einem
warmen Tag zählte man auf der Strecke vom Umfluter bis zum Sägewerk 400 Badende. Das Bauamt unternahm daher zahlreiche Besichtigungen und stieg in die Planung ein. Zu diesem Zeitpunkt schätzte es die Kosten auf 35.000 RM, wobei man mit den Einnahmen sogar Überschüsse zu erwirtschaften hoffte. Doch 1928 musste Graf enttäuscht erkennen, dass die zahlreichen in den vergangenen Jahren eingegangenen Anstöße und Anregungen alle im Sande verlaufen waren und das Projekt nicht die Unterstützung in der Öffentlichkeit erfuhr,
die nötig gewesen wäre.

Allerdings ließ sich Graf dadurch nicht wirklich entmutigen. Noch 1929 stellte die Stadt beim Landesarbeitsamt einen Antrag, im Rahmen von Notstandsarbeiten langfristige Arbeitslose für die einfachen Arbeiten beim Bau des Beckens beschäftigen zu können. Man erhoffte sich
einen Zuschuss „von der wertschaffenden Arbeitslosenfürsorge".

Die erste Planung auf dem Werreanger sah ein massiv gebautes Becken vor, das mit Wasser der Werre, die an dieser Stelle „fast reines klares Wasser" führte, gefüllt werden sollte. Die Fläche des Schwimmers hätte 50 m x 15 m bei einer Wassertiefe von 1,80 bis 2 m und die des Nichtschwimmers von 50m x 7m bei einer Tiefe von 0,3 bis 1,30 m betragen. Hinzu sollten Umkleidekabinen, ein Badewärteraum mit Nebenraum sowie ein Pumpenhaus gebaut werden. Um das Becken waren "weite Sandflächen als Licht- und Luftbad" geplant.  Langfristig sollte das Bad im Winter als Eislauffläche dienen. Die Baukosten wurden auf 38.500 RM beziffert. Graf betonte auch den Nutzen für die "heimische Wirtschaft", der das bereits bereitgestellte Geld durch den Bau und die folgenden infrastrukturellen Verbesserungen „direkt zugeführt" würde.

Zum Schluss betont Graf noch, dass „Lage infolge ihrer günstigen Verkehrslage schon heute einen gewissen Mittelpunkt im turnerischen und sportlichen Leben des Landes bildet", dem eine „sportgerechte Badeanlage" bisher fehlte. Letztere würde die Attraktivität für den
Fremdenverkehr noch erhöhen. Der Antrag wurde bewilligt, kam jedoch nicht zum Tragen, da Anfang 1930 klar war, dass die inzwischen erforderlichen 55.000 - 60.000 RM nicht aufgebracht werden konnten. Gemeinsam mit dem Badbauverein beschloss die Stadtverwaltung eine kostengünstigere Lösung.

Ein befestigter „Erdteich" mit einer Fläche von 50 m x 18 m bei einer Tiefe von 1,80 - 3,20 m für Schwimmer und 12 m x 50 m bei einer Tiefe von 0,40 bis 1,20 m für Nichtschwimmer sollte den sportlichen Belangen entsprechen und im Winter als Eislaufbahn genutzt werden. Beton- und Ziegelsteinbefestigungen sowie die Anlage von Spundwänden gaben dem Bauwerk einen durchaus „der massiven Bauweise gleichkommenden" Charakter. Die Sohle der Schwimmerabteilung war mit Kies befestigt. Der Nichtschwimmerbereich bestand aus
Ziegelpflaster in Sandbettung, das mit Zement vergossen und abgezogen wurde. Die Wasserentnahme erfolgte nach zahlreichen Untersuchungen zunächst aus der Werre. Der Bau von Nebenanlagen und ein weiterer Ausbau sollte zunächst nicht erfolgen, aber bei der
Konstruktion berücksichtigt werden.

Das durch einen ca. 1O-minütigen Fußweg von der Stadt aus zu erreichende Gelände umfasste 10.000 qm. Hier wurden Buschanpflanzungen zur Verdeckung der Einsicht, eine Rasenfläche von 5000 qm und ein 10 m breiter Sandstreifen rund um das Becken angelegt, auf dem Bänke und Querriegel zum Aufhängen der Badesachen angebracht wurden. Die Umgebung war durch Böschungen von der Strandfläche getrennt und gab der Anlage eine gewisse Übersichtlichkeit. Hinzu kamen ein Bademeisterraum, ein Verkaufsraum von 3 x 3 m, ein Garderobenraum von 3 x 6 m, ein Sammelumkleideraum von 3 x 6 m sowie Zellen mit verschließbarem Vorhang, 12 für Damen und 22 für Herren. Für weitere 17 Zellen wurden zunächst Rückwände mit Bänken zum Auskleiden im Freien angeschafft, die später
vervollständigt werden sollten. „Ein kleines Aborthäuschen wurde in möglichster Nähe des
Badebeckens angeordnet, um die Badenden zur Benutzung anzureizen". Badehaus und Umkleidezellen wurden „streifig in hell- und dunkelgrauen Farben gestrichen" und die Fensterrahmen in weiß abgesetzt. Für die Vorreinigung befanden sich an den Überlaufstellen
kleine Becken von 1 x 1,4 m. An einem der Becken waren Seifenwaschungen möglich. Die Sprungturmanlage, ein 3-Meter-Turm und ein l-Meter-Bret! baute man in „eleganter weißer Holzkonstruktion" selbst.

Aber auch bei der kleineren Lösung war die Finanzierung nicht einfach. Neben Haussammlungen wurden Behörden, Krankenkassen, soziale Organisationen und Lagenser Vereine um Zuschüsse bzw. verbilligte Kredite gebeten. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Einzelne Vereine gaben Spenden, andere veranstalteten Konzerte zugunsten des Bades, manche erteilten der Bitte, meist aufgrund eigener finanzieller Engpässe, eine Absage. Im August 1930 stand nun endlich die Finanzierung: Der Baufonds der Stadt inklusive einer Spende von 1000 RM des Biochemischen Vereins beinhaltete 11.642 RM. Hinzu kamen ein Zuschuss der Regierung von 1500 RM, ein Darlehn der Krankenkassen von 10.000 RM, 500 RM aus Spenden und ein verbilligtes Darlehn der Regierung von 5000 RM.So wurden 30.000 RM zusammengetragen. Die veranschlagten Einnahmen aus Eintrittskarten, Warenverkauf, Eislaufkarten, Schwimmkursen und Festen von 3200 RM sollten die geschätzten jährlichen Betriebskosten von 2900 RM übersteigen. Die tatsächlichen Baukosten beliefen sich auf 33.000 RM.

Die Eröffnung erfolgte am 3l. Mai 1931 mit einer kleinen Feier unter Beteiligung Lagenser Vereine, einiger Vertreter des Stadtrats und der Stadtverordneten, der Lippischen Landesregierung, der Orts- und Handwerkerkrankenkassen sowie des Architekten D. A. Heidrich von der Bäderbauberatungsstelle, der einen wesentlichen Anteil bei der Planung hatte. Aber auch viele Zuschauer waren gekommen. So berichtete die Lippische Volkszeitung: „Fürwahr so viele waren bisher noch nie auf dem Werreanger zusammengekommen. Über die Ehrentruper Brücke und aus der Pappelallee kamen sie, jung und alt, um von einem möglichst guten Platz aus das Schauspiel der Einweihung mit zu
erleben."  Bürgermeister Gierlichs betonte in seiner Rede, dass es der Stadt "„n Zeiten schwersten wirtschaftlichen Niedergangs" gelungen war, eine Sommerbadeanstalt zu errichten. die dem „immer stärker hervortretenden Bedürfnis, die Körperpflege auch nach dieser Seite hin zu fördern" Rechnung trug.

Für das Jahr 1931 zog die Verwaltung eine positive Bilanz: Das erste Jahr nach der Eröffnung habe „alle Erwartungen übertroffen, ein zeichen dafür, dass gerade der Bau der Badeanstalt, dieses hervorragenden Mittels für die Erhaltung der Volksgesundheit, des gesunden Sports und der bedeutenden Werbung für die Stadt eine zwingende Notwendigkeit war." An 114 Badetagen kamen 41.113 Besucher (36.270 Einzelgäste und 4.843 Schüler in 224 Klassen). Damit konnte ein Überschuss von 2.300 RM erwirtschaftet werden, wovon 800 RM für Neuanlagen zur Verfügung gestellt wurden. Die Wassertemperatur lag zwischen l5 und 23" C, am häufigsten jedoch zwischen 16 und l9° C. Badezeiten waren im Mai und Juni zwischen 9 und 21Uhr sowie im Juli und August zwischen 6 und 21 Uhr.

1932 steigerte sich die Zahl der Be suchenden sogar noch auf rund 60.000. An einem Tag zählte man 2.000 Badegäste. So wurde auch in diesem Jahr ein Überschuss erzielt.In Jahren mit schlechter Witterung war die Anstalt allerdings auf Zuschüsse angewiesen.

Freibad Werreanger im Juli 1933

Insgesamt wurde das "Moderne" Freibad Werreanger sehr gut angenommen. Neben dem allgemeinen Familienbad führten die Turngemeinde Lage und der Verein für Sport und Körperpflege regelmäßige Übungsabende durch und zahlreiche Vereine veranstalteten hier ihre Schwimmfeste. Auch die Schulen konnten mit ihren Schülern das Freibad für Unterrichtszwecke nutzen.

Ein Schwimmteich ist die Badeanstalt heute allerdings nicht mehr. Bereits 1936 wurde ein fester Beckenboden eingebaut. Weitere größere Umbaumaßnahmen erfolgten in den 1950er und 1960er Jahren. Doch der Badespaß von damals und heute unterscheidet sich wohl kaum.

Quelle:

Pohl, Christina: Badevergnügen in Lage. Vor 75 Jahren wurde das Freibad Werreanger eröffnet.
In: Heimatland Lippe 99 (5,6/2006), S. H 132 H 134.

Fotos: Stadtarchiv Lage